von Heike Fritz (editiert)

Wie unterscheiden Wächterbienen am Nesteingang zwischen Schwestern und potentiell diebischen Eindringlingen? Wie eine Studie ergab, sind die gemeinsamen Merkmale der Darmflora für den markanten Nestgeruch der Bienen verantwortlich und nicht die genetischen Ähnlichkeiten die Bienen. Die Mikroben haben demnach nicht nur Einfluss auf die Gesundheit der Honigbienen, sondern auch auf ihr Sozialverhalten. Sie bilden den Mitgliedsausweis zum Bienenvolk.

Am Eingang zum Bienestock wird scharf kontrolliert. Neben Raubinsekten müssen die Wächterinnen eines Volkes auch den Bienen anderer Staaten den Zutritt verwehren. Denn die Insekten sind untereinander keineswegs so freundlich, wie man meinen könnte. Besonders im Herbst müssten die Wächterinnen aufmerksam sein, um der Räuberei zu begegnen, wie Cassondra Vernier von der Washington University in St. Louis mitteilte. Sonst seien die Wintervorräte weg, Pflanzen produzierten aber keinen Nektar mehr, so dass die Kolonie zum Sterben verdammt sei.


Es war bereits vor der Studie bekannt, dass Wächterinnen anhand von chemischen Signalen erkennen, welche Biene zum Volk gehört und welche nicht. Grundlage sind flüchtige Verbindungen wie kutikuläre Kohlenwasserstoffe oder CKW. Sie sind für den im Stock einheitlichen Geruch verantwortlich, an denen sich die Mitglieder gegenseitig erkennen. Die frühere Annahme, dass die Signatur auf der engen genetischen Verwandtschaft der Individuen eines Volkes beruht, hatten Vernier und ihr Team schon zuvor entkräftet, indem sie Jungtiere umsetzten. Bis zu einem gewissen Alter und Entwicklungsstand wurden sie in den Adoptivvölkern akzeptiert und als dem Volk zugehörig wahrgenommen. „Der Schlüsselfaktor musste also etwas sein, was im Lauf des Lebens erworben wird“, betonte Vernier.


Da sich die Darmflora bei anderen Lebewesen zunehmend als wichtig für chemische Prozesse herauskristallisiert, lag es für die Forscher nahe, die Darmbakterien der Honigbienen genauer unter die Lupe zu nehmen: Vernier analysierte die Zusammensetzung des Mikrobioms genetisch und untersuchte die Profile der CKW im Gaschromatographen.

Gleichzeitig führte ihr Team Austauschexperimente durch, bei denen Gruppen frisch geschlüpfter Bienen in nicht verwandte Völker gesetzt wurden. Es stellte sich schnell heraus, dass Völker nicht nur verschiedene CKW-Profile besitzen, sondern auch die Bakteriengemeinschaften im Darm der Bienen unterschieden sich charakteristisch: „Verschiedene Bienenvölker haben tatsächlich koloniespezifische Mikrobiome“, erklärte Vernier. Das sei noch nie zuvor untersucht oder belegt worden: „Im Grunde legen das schon die Beobachtungen im Stock nahe: Die Bienen teilen ständig Nahrung miteinander, dadurch tauschen sie ihr Mikrobiom innerhalb ihres Volkes – und nur innerhalb ihres Volkes – aus.“

In weiterführenden Versuchen sollte herausgefunden werden, ob die CKW-Profile von der Darmflora beeinflusst werden. Vernier und ihre Kollegen fütterten dafür frisch geschlüpfte Bienen mit speziellen Mikroben. Diese Generation entwickelte dann nicht nur unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften im Darm, sondern auch veränderte CKW-Profile, wie die Analysen ergaben. Der Effekt wurde auch im Praxistest bestätigt: „Diese Bienen waren für ihre Geschwister nicht wiederzuerkennen. Die Manipulation des Mikrobioms reichte aus, um die Bienen eines Volkes zur Entwicklung unterschiedlicher Duftprofile zu reizen“, erklärte Vernier.

Durch die Studie wurde deutlich, dass das Mikrobiom im Darm zum einen die Gesundheit der Bienen beeinflusst, aber zum anderen auch ihr Sozialverhalten darauf aufbaut. „Es beeinflusst offenbar, wie das Volk als Ganzes funktioniert, und wie es in der Lage ist, die Nestabwehr aufrecht zu erhalten – und nicht nur die Immunabwehr im Körper eines einzelnen Individuums“, zeigte sich Vernier selbst davon fasziniert.


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